Ich sitze auf meinem Bett und kaue
Zuckerrohr.
Zuckerrohr isst man so: Nachdem man
sich ein Rohr gekauft hat, nimmt man ein Messer und entfernt die
harte, ungenießbare Schale, sodass das Brauchbare, das saftige
Innere, freigelegt wird. Dann schneidet man es in Stücke - man muss
aufpassen, dass man sich nicht in den Finger schneidet – und
genießt. Man kauft Zuckerrohr nicht nur um es zu essen, sondern auch
das Schälen und Schneiden macht Spaß, denn man kann die Zeit gut
zum Nachdenken nutzen.
Diesmal denke ich daran, wie viele
Leute mir gesagt haben: "Respekt, Albert. Respekt für deinen
Mut nach Uganda zu gehen, Respekt für deine Hilfsbereitschaft."
Danke an alle, die mir Respekt zollen, wirklich. Aber wie sieht es
denn aus, bin ich so mutig, bin ich so hilfsbereit?
Um Mut zu zeigen, muss man sich einer
Gefahr stellen. Welcher Gefahr stelle ich mich in Uganda? Ist es so,
dass, wenn ich das Haus verlasse, eine Horde hungriger Ugander über
mich herfällt, mir die Kleider vom Körper reißt, mich zu Boden
schlägt und mir bei lebendigem Leib das Fleisch von den Knochen
frisst, während im Hintergrund ein Auto, das bei einer Schießerei
durchlöchert wurde, explodiert?
Ich sitze auf meinem Bett und kaue
Zuckerrohr. Nein, eigentlich ist es nicht gefährlicher auf die
Straße zu gehen als in Deutschland: In den zwei Monaten, die ich nun
hier bin, habe ich mich kein einziges Mal unsicher gefühlt und hätte
auch nie Grund dazu gehabt. Meine letzten Berichte haben vielleicht
auch den falschen Eindruck erweckt, dass alle Ugander immer nur den
Weißen im Blick haben. Diese Ugander sind aber die Ausnahmen, die
meisten scheren sich nicht mehr um mich, als es ein Fußgänger in
Deutschland tun würde. Durch die Paar, die mich aber doch
ansprechen, fühle ich mich dann natürlich doch, als würden mich
alle in den Mittelpunkt stellen, aber dieses Gefühl entspricht
keineswegs der Realität.
Ich glaube nicht, dass ich besonders
mutig bin, weil ich nach Uganda gegangen bin. Aber wie steht's mit
der Hilfsbereitschaft? Die zeichnet sich wohl dadurch aus,
"Entwicklungshilfe" zu leisten, den Ugandern es durch meine
Arbeit zu ermöglichen, sich zu "entwickeln". Ich habe in
Deutschland gerade die Schule verlassen und der deutsche Staat traut
es mir jetzt schon, ohne die geringste Ausbildung, zu, hier an einer
Schule zu unterrichten. Die ugandischen Lehrer, die an meiner Schule,
der Hilgard Primary School, arbeiten, wissen, wie das geht, ich
nicht. Aber ich bin hier um es zu lernen und die Lehrer opfern ihre
Zeit und zeigen mir wie das geht. Ich bin hier um zu lernen, zu
reifen, um mich positiv zu entwickeln – wer leistet jetzt also
Entwicklungshilfe? Es ist nicht so, dass ich ein Jahr meines Lebens
opfere, um anderen zu helfen.
Ich sitze auf meinem Bett und kaue
Zuckerrohr. Ich habe Spaß dabei und wenn ich mir nicht in den Finger
schneide, passiert mir auch nichts.
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